Abenteuer Bahn
Sri Lanka ist für Individualreisende nicht gerüstet. Echt nicht vorbereitet! Touristen werden vom Flieger abgeholt und ins Resort verfrachtet, wo sie bleiben, bis sie wieder heimfliegen. Wer Zug fährt und keine dunkle Hautfarbe besitzt, muß falsch sein. Den Ausdruck "Southbound train" kennt hier keiner, aber letztlich ist "up" und "down" auch aussagekräftig genug – mehr gibts ja nicht – und so hat’s jemand mit Kreide auf den Fahrplan gemalt. Nur für den Fall, daß doch mal ein Tourist…
Von Negombo nach Colombo, der Hauptstadt, das sind 35 Kilometer, eineinhalb Stunden Zugfahrt, kein Scherz. Mit Bus, Taxi oder Tuktuk geht es auch nicht schneller. Die Fahrkarte für 40 Rupien, umgerechnet 25 Cent. First Class? Yes, One Class! An Sitzplätze ist nicht zu denken, soviel ist schon vor dem Einsteigen klar, so gierig wie die Massen sich vorne am Bahnsteig drängen. Immerhin war ein gemütlicher Stehplatz frei in der Nähe der Türen oder besser, in der Nähe der Öffnungen, wo normalerweise Türen sind. Klimaanlage also inklusive. Doch mit jedem der zahreichen Stopps wird es voller und bis Colombo sind uns schließlich dann auch die Stehplätze ausgegangen. Da hilft nur mehr, sich aufs Trittbrett der nicht vorhandenen Türen zu stellen und gut festzuhalten. Und bei der Durchfahrt in Ortschaften den Kopf einzuziehen, denn Häuser und Gärten sind so nah an den Gleisen gebaut, daß man im Fahren die Früchte pflücken kann, von der Geschwindigkeit her ohnehin kein Problem.
Nicht alle Züge sind so langsam. Intercitys schaffen das Doppelte – fast 40 km/h Schnitt, für hiesige Verhältnisse ausgesprochen rasant – und haben eine verdammt hohe Ähnlichkeit mit den Regionalzügen in Österreich, den Garnituren zumindest, die vor 20 Jahren ausgemustert wurden.
Umsteigen in Colombo. Raus aus dem Bahnhof, rein in den Bahnhof, weil Durchgang nicht ohne Ticket. Zwei Stunden Aufenthalt, um 14:05 Uhr geht es weiter Richtung Süden, diesmal Intercity, erste Klasse, dreifacher Preis für 150 Rupien. Der Individualreisende ist vorinformiert, im 21. Jahrhundert stehen selbst in Sri Lanka die Fahrpläne im Internet zum Abruf bereit. Nur fährt der Zug leider nicht.
Der Schalterbeamte spricht einigermaßen Englisch und erklärt etwas von contruction six month better bus. Wie sich rausstellt, sagt er die Wahrheit, die Bahnstrecke nach Süden haben sie diese Woche stillgelegt, da fährt nichts mehr, ca. sechs Monate lang, also bis etwa nächsten Winter. Aber der Busbahnhof ist gleich nebenan, je nach Fahrtziel 400 Meter in die eine, oder die andere Richtung. Da die andere nicht nach Süden führte, nehm ich die eine und das gellende "Golle Golle Golllleeeee" (Galle ist eine Stadt im Süden) der Kassierer, die im Bus mitfahren, ist wirklich nicht zu überhören.
Was für ein Luxus: ein klimatisierter Kleinbus der nicht bis zum letzten Platz belegt ist. Sämtliche Sitzreihen nach der Hinterachse sind frei, ein paar Stunden später weiß ich auch, warum. Denn die Sitze sind durchgesssen, die Stoßdämpfer wohl seit Jahren defekt und Schlaglöcher auf der Straße stellen sich persönlich beim Steißbein vor. Jedes einzelne. Travel Time? Zwei Stunden bis Bentota, sagt der Fahrer. Er meinte: "sobald wir aus Colombo draußen sind", denn das allein kostet erstmal eineinhalb Stunden. Immerhin fährt er pünktlich und mit dem Zug wär ich auch nicht früher angekommen.
Ich frage mich kurz, wie ein Land vorwärts kommt, in dem es dermaßen schwierig ist, vorwärts zu kommen. Es gibt Züge und Busse nach Colombo und von Colombo, die Hauptstadt ist gleichzeitig Verkehrsdrehscheibe für alle Richtungen. Dementsprechend chaotisch geht es zu. Wenn Dagmar, die seit 13 Jahren hier lebt, mit dem eigenen Auto in die Hauptstadt rein muß, dann mietet sie sich einen Fahrer. Die fahren dort wie die Verrückten, sagt sie. Doch in erster Linie stehen sie wie die Verrückten. Möchte man den Straßenverkehr in Colombo beschreiben, drängt sich die Analogie des Rudelbumsens auf. Dort wo schon ein paar auf einem Haufen sind, haut sich der nächste einfach dazu. Und eigentlich sind immer irgendwo ein paar auf einem Haufen und jeder möchte der Erste sein. Womit im Endeffekt keiner so recht zum Zug kommt. Rudelbumsen mit Männerüberschuß.
Irgendwann sind wir schließlich doch durch. Der einsetzende Platzregen verhindert jene Aussicht, die ich gehabt hätte, würde ich nicht meinen Rucksack auf den Knien balancieren. Müßig zu erwähnen, daß der Bus doch noch voll wurde, oder? Auch die schlechten Plätze fanden noch dankbare Sitznehmer und glaubt mir, hinten war so schlecht nicht. Die Klappsitze in der Mitte des Ganges waren noch desolater. Aber der Regen hat sein Gutes, es hat um mindestens ein Grad abgekühlt und bis Bentota ist der Spuk auch schon wieder vorbei.
Bentota gibt es nicht wirklich, es ist der südliche Wurmfortsatz eines Örtchens namens Aluthgama, das sie eigens für die Touristen in den 70ern dazugebaut haben. Hier die Hotels, jenseits des Flusses der Ort. Es sieht auf der Karte größer aus, als es in Wirklichkeit ist, die Fahrzeiten täuschen über die tatsächlichen Entfernungen hinweg. Ich lande im sauberen und netten "Hotel Susantha’s", das vom Strand nur durch die Bahnlinie getrennt ist, auf der momentan genau nix fährt.
Und hier, genau hier, werde ich schließlich auch fündig:
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