Die Straßen von Cho Lon
Wenn Saigon einen Strand hätte, dann wäre heute Strandtag. Ja, danach ist uns jetzt echt. Nach dem kapitalen Besäufnis mit den Australiern gestern Abend wiegt der Kopf etwas mehr als sonst. Aber Saigon hat keinen Strand, noch nicht mal einen gepflegten River Beach Club, nada. So muß das nächstbeste herhalten, ein Ausflug ins Chinesenviertel.
Cho Lon liegt südwestlich des Zentrums von Saigon, etwa fünf Kilometer, sprich rund 20 Minuten mit dem Taxi. Hier ist die Markthalle zweistöckig und der Markt… nun ja, eigentlich ist der ganze Stadtteil der Markt. Vor 100 Jahren gingen die Franzosen und die Saigoner hierher, um die Sau rauszulassen. Cho Lon war das Rotlichtviertel. Und das der Chinesen, die hier seit Jahrhunderten Handel treiben. Seit der Wiedereinführung von Privatbesitz durch das Zentralkommitee sind viele zurückgekehrt. Chinesisch ist die vorherrschende Sprache am Markt, die Schilder der Straßenläden tragen chinesische Schriftzeichen. Cho Lon ist aber auch das etwas ärmere Viertel. Hier haben sie sich also versteckt, die scheppernden alten Autos und die völlig zerlemperten Mopeds, die uns das mondäne Saigon bislang vorenthalten hat. Authentisch ist hier alles, bis hin zum Dreck auf der Straße.
Vor allem aber ist Cho Lon laut. Du gehst von Straße zu Straße, nie am Gehsteig, denn der ist mit Waren flächendeckend vollgeräumt, inmitten eines Tohuwabohus, so laut, daß man sich nur schreiend verständigen kann. Wer hier wohnt, hat einen Hörschaden, zwangsläufig. Cafés oder Teestuben sind dünn gesät, selbst die kleinen mit den Plastiksesseln auf der Straße. Die Chinesen sind zu beschäftigt für derlei Müßiggang, selbst das Mittagessen dauert keine 15 Minuten.
Schließlich finden wir doch eines, Café mit Innenhof. Vor uns braust der Verkehr in ohrenbetäubender Lautstärke, im Nebenhaus hämmert der Presslufthammer ohne Unterlaß. Ein lauschiges Plätzchen. In der Tat ist es das, verglichen mit draussen. Die paar Dezibel, die es hier ruhiger ist, versucht die Stereoanlage des Lokals mit westlicher Popmusik aufzufüllen. Doch Anastacia brüllt sich vergeblich die Seele aus dem Leib bei 33° im Schatten.
Aber die Kokosnuß ist eiskalt und der Kaffee so wie er sein muß: stark und süß. Der Standardkaffee in Vietnam ist ein extrem starker Aufguß, der portionsweise mit dem Alufilter auf dem Glas oder der Tasse serviert wird. Am Ende wird mit heißem Wasser nach Geschmack verdünnt und wer Milch bestellt, kriegt in die Tasse einen Löffel Kondensmilch, zäh wie Honig und dreimal so süß.
Trotzdem, Saigon wird langsam anstrengend. Zu laut, zu dreckig. Es wird Zeit, weiterzuziehen. Nach Westen…
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