Go shi shi oder ein Tag am Bund
Marihuana, Cocain? Go shi shi ! Cheap watches, look look! Go shi shi . T-shirts, want DVD? Go shi shi ! Young girls? Go shi shi . Boys…? Go eh scho wissn!
Das waren keine vier Straßenhändler, das war ein einziger. Scheiß weak economy, was? Und soviel Konkurrenz… Der Bund und die Nanjing Road, das sind die Getreidegasse, der Graben, die Ramblas von Shanghai. Hier ist Englisch kein Problem, hier ist Shanghai international. Selbst die Gespräche klingen seltsam vertraut: Hello Sir, where are you from?
Die gutgekleidete junge Chinesin an der Aussichtsplattform vom Bund macht es geschickter. Ob ich ein Foto von ihr und der Freundin machen könnte? Na sicher. So kommt man ins Reden. In Shanghai ist sie geboren, dann weggezogen und jetzt zum Frühlingsfest auf Besuch hier, erklärt sie in perfektem Englisch. Wo ich herkomme? Aber klar kennt sie Austria und Vienna, the capital of Music! Nettes Mädel, echt gebildet. Als sie schließlich auf einen Kaffee gehen will, rät mir meine Nase, besser einen anderen Termin zu haben. Alice is waiting. Girlfriend? Yes yes. Das versteht sie, dreht sich um und frägt den nächsten Touristen, ob er doch so nett wäre, ein Foto….
Alice wartet tatsächlich. Nicht wirklich, aber wir laufen uns wieder über den Weg. Die wenigen westlichen Touristen laufen sich am Bund dauernd über den Weg. Alice ist aus Südafrika und hier auf Besuch. Ich hab keine Ahnung, wie alt sie ist, aber Salzburg kennt sie. Da war sie mal schifahren. 1969 war das. Ihr Sohn arbeitet seit einem Jahr hier und nun macht sie eine Woche die Chinesen unsicher. Coole Frau! Von ihr stammt mein erster chinesischer Satz, was soviel wie "Nein, danke!" bedeutet, so erklärt sie es mir. Hat ihr der Bub beigebracht, das würden die Chinesen wirklich verstehen. Eigentlich bedeutet es "Verpiß dich", aber das paßt eigentlich super zu Alice.
Shanghai ist bis auf wenige Ausnahmen wie dem Bund nicht touristisch orientiert. Es war schwierig, einen Stadtplan aufzutreiben und während die Straßenschilder in Chinesisch und Englisch angeschrieben sind, sind es die Richtungsweiser nicht. Andererseits fährt man als Tourist hier Taxi oder geht zu Fuß. Dabei hat Shanghai eine der modernsten U-Bahnen der Welt. Das System ist einfach: 1 Yuan = ca. 10 Cent = 1 Station. Das Ticket hat einen Chip und kann beliebig aufgetankt werden. Beim Rein- und Rausgehen wird abgerechnet. Wie in London die Golden Line sind sämtliche Stationen mit Sicherheitsverglasung ausgestattet, damit niemand auf die Gleise springt oder gestoßen wird. Wohl mehr letzteres, denn gedrängelt wird ohne Rücksicht. Es gibt soetwas wie einen Sozialabstand. Die Amerikaner brauchen einen Meter, den Fremde nicht unterschreiten sollten, sonst fühlt der andere sich bedrängt. In Europa gilt etwa ein halber Meter. Der Sozialabstand der Chinesen ist ziemlich genau 0 Zentimeter. Es scheint auch nicht als unhöflich zu gelten, auf die Straße zu spucken, nicht mal neben die Schuhe des Nachbarn. Unhöflich ist wahrscheinlich lediglich, es zu bemerken…
Die Chinesen sind also ein soziales Völkchen. Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist hier wichtiger als anderswo. Das merkt man spätestens beim Überqueren von Kreuzungen: rote Ampeln sind bestenfalls eine Empfehlung, nicht unbesehen über die Kreuzung zu rasen. Wegen einem Fußgänger am Zebrastreifen hält kein Mensch an, ab einer Gruppe von drei Leuten ist man außer Lebensgefahr.
An den größeren Kreuzungen stehen deshalb Hilfspolizisten. Je Kreuzung sind das vier "Traffic assistants", welche die Verkehrsteilnehmer zur halbwegs ordentlichen Beachtung der Ampelphasen anhalten, diese wiederum beaufsichtigt von einem Oberpolizisten je Kreuzung, im offiziellen Kostüm der Volkspolizei. Womöglich fließt sonst Schmiergeld… Weiß man’s?
Das bietet freilich durchaus eine schlüssige Erklärung für die nur 4% Arbeitslosigkeit Chinas. Denn nicht nur hier wird noch relativ viel menschliche Arbeitskraft benötigt, auch anderswo:
Aber ich muß jetzt leider schließen und das "Insight" Journal of the American Chamber of Commerce in Shanghai lesen. Auf Seite 25 ist da ein interessanter Artikel: Implementing Efficiency .
5 Responses to “Go shi shi oder ein Tag am Bund”
February 5th, 2009 saat: 10:06 am
Toller Reiseblog Alex, Du solltest echt anfangen, Reiseberichte zu schreiben. Du könntest Österreichs Antwort auf Bill Bryson werden… ;-)
February 5th, 2009 saat: 10:06 am
Alex, Du solltest echt anfangen, Reiseberichte zu schreiben. Du könntest Österreichs Antwort auf Bill Bryson werden… ;-)
February 5th, 2009 saat: 12:39 pm
Was mich zu dem Thema grad unheimlich beschäftigt: Fliegt man von Südafrika nach Shanghai untenrum oder obenrum? Hab grad keinen Globus zur Hand und am Atlas falten bin ich gescheitert. Kannst Du Alice das fragen, wenn Du ihr am Bund noch einmal über den Weg läuftst?
February 5th, 2009 saat: 1:05 pm
Mal drübernachdenken. Ich wollte immer die österreichische Antwort auf Helge Timmerberg werden, aber der schlafft langsam ordentlich ab…
@Petra: ich frag in PVG nach. Alice hab ich so schnell aus den Augen verloren wie getroffen, Shanghai ist eine rasante Stadt.
February 6th, 2009 saat: 5:55 pm
der helge hat dir auch an jährchen tüchtig was voraus – DER darf schon bissel schlapp machen…