Later never comes
Wie die geehrte Leserschaft mit Gewißheit schon an der länger werdenden Frequenz der Postings bemerkt hat, sind wir in der Sonne gelandet. Eventually. Zwar ist auch Hoi An bereits eine fast ganzjährige Sonnendestination, richtig los geht’s aber erst 600 km südlich davon, in Nha Trang. Angesichts einer durchschnittlichen Reisedauer von zwei Stunden pro 100 Kilometer entscheidet man sich gelegentlich dann doch für den Flieger. Liegt auch nicht viel Interessantes dazwischen.
Nha Trang, ausgesprochen "Na Tschang", ist für die Vietnamesen das Strandbad Nummer 1. Warum eigentlich, entzieht sich bis jetzt unserer Kenntnis. Die Stadt mit 250.000 Einwohnern verfügt über einen rund sechs Kilometer langen Sandstrand, der entlang der Hauptstraße verläuft. Die Hotels und die Travellermeile rotten sich auf einem Stadtteil von 200 mal 200 Metern zusammen, Night- und Daylife rund um die Uhr.
Entsprechend wird gebaut. Unser vorgebuchtes Hotel entpuppt sich als Reinfall. Die Straße vorne ist nachts zu laut, um zu schlafen. Die Baustelle direkt nebenan hämmert uns buchstäblich um Punkt Sieben aus dem Bett. Wir ziehen um, eine Straße weiter, dort ist es ruhiger. Baustelle im Nebenhaus freilich auch dort, drei weitere Nächte ohne die Notwendigkeit eines Weckers. Meine innere Uhr steht auf 1 vor 7 zum Aufwachen.
Nha Trang ist fraglos eine Partystadt, für den ruhesuchenden Strandfreak nicht ganz das richtige. Wer’s authentisch mag, der nimmt den Südstrand. Dort sind garantiert nur Einheimische. Nein, die Vietnamesen gehen nicht freiwillig in die Sonne, die wohnen dort am Strand. Ich bin ja einiges gewohnt, doch die unaufdringliche Aufdringlichkeit von zwei Dutzend zwielichtigen Gestalten, von denen ich ganz gewiß nicht mal gratis eine Massage möchte, sind des Authentischen zuviel. Wir verziehen uns Richtung verkommerzialisierter Strandmitte und landen im einzig akzeptablen Nha Trang Sailing Club, wo man sein Sonnenöl in stoffgepolsterte Liegen schmieren kann und für umgerechnet 2 Euro einen der besten Cappuccinos erhält, selbst nach italienischen Maßstäben. Alle paar Tage braucht es das. Das Tüpfchen auf dem i jedoch sind die Schilder samt einem halben Dutzend Aufpassern, welche für die Ungestörtheit der Gäste sorgen: "No peddling ware" steht da drauf. Hinten das gleiche auf Vietnamesisch. Nix verkaufen hier, heißt das. Auch das ist eine Wohltat. Denn selbst dem abgehärtetsten Traveller gehen die "Wanna buy something" im Minutenrhythmus irgendwann auf den Geist. Meist funktioniert eine Handbewegung, manchmal auch ein Nein. Wenn das fehlschlägt, bleibt nur mehr "later". Daß "later" auch in zwei Stunden immer noch "later" bleibt, ist auch den Merchants klar. Und wenn nichts bleibt, außer weiterzuziehen, dann wahrt ein "later" doch zumindest das Gesicht. Auch das ist wichtig, hier in Asien.
Wir mieten die kaputtesten Mopeds, die Nha Trang im Angebot hat, für zwei Dollar am Tag und verziehen uns in die Umgebung. 50 km nördlich liegt der sagenumwobene Doc Let Beach. Sagenumwoben, weil wir ihn nicht gefunden haben. Jedenfalls nicht so direkt. Doc Let, erfährt der Reisende später, heißt soviel wie "In den Dünen versinkender Hatscher", der sich lohnt. Hättma wissen müssen. Aber Doc Let Beach ist dreckig um diese Jahreszeit. Weil außerhalb der Saison, räumt keiner die Kleiderschränke voll von Strandgut weg, die hier täglich angeschwemmt werden. Es muß paradiesisch hier sein, wenn’s sauber ist. Und total authentisch. Kannst du den Fischern noch bei der harten Arbeit des Algensammelns zusehen und sie lächeln sogar noch schüchtern zurück. Nicht mehr allzu lange vermutlich. Denn während Nha Trang schon restlos zubetoniert und nur mehr in die Höhe gebaut wird, weisen die Resorts hier noch Baulücken bzw. Baustellen auf. Dort sollten wir den auch perfekt für die Mittagszeit landen.
Das Paradise Beach Resort hat bessere Tage gesehen, der leicht versoffene schweizfranzösische Eigentümer mit kroatischen Wurzeln gesündere. Aber nett ist es hier trotzdem. Wir schneien rein, mitten unter ein Dutzend Franzosen beim Mittagstisch, dessen Vorsitz der Chef persönlich übernimmt. Er hat ja auch selbst gekocht. Drinks sind gratis, der Alte ist wirklich nett. Für fünf Dollar zu zweit kriegen wir vietnamesischen Fisch serviert, was anderes gibts nicht. Dazu Baguette und den besten Salat seit langem. Ja, das Paradise ist nicht sehr weit hergeholt, auch wenn ihm ein bißchen frischer Lack nicht schaden könnte.
Wir danken für die Gastfreundschaft, Herr Mihic! Doch es ist Zeit für den Aufbruch – 50 Kilometer bedeuten gut zwei Stunden mit dem kaputten Bike ohne Stoßdämpfer und mit einer Funzel von Licht. Da grinst der Leser, aber es wird früh dunkel und die Schlaglöcher sind tief.
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