Sanfter Tourismus

08 January 2012 | Sri Lanka

Eigentlich bin ich ausgezogen, um den roten Faden Sri Lankas zu finden. Den Faden, der sich durch diese Geschichte ziehen, welche mäandern und abdriften und Nebengeschichten erzählen soll, nur um schließlich wieder darauf zurückzukommen. Auf Sri Lankas Quintessenz. Allein gefunden habe ich es noch nicht. Weder den Faden noch die Quintessenz. Ein paar rote Fussel vielleicht, aber davon später.

Bentota Map

Bentota Map

 

Bentota zusammen mit Aluhtgama im Norden und dem angrenzenden Induruwa im Süden ist eine Sammlung von Dörfern, die sich entlang der vorübergehend stillgelegten Bahnlinie und der Küstenstraße aufreihen wie die Mondsteine auf den Tischen der Händler. Es ist eine der Hauptdestinationen von TUI & Co, und bevor ich zur Absolute Tranquility weiter im Süden vorstoße, habe ich bei den Prachtstränden Halt gemacht, die noch einigermaßen touristische Infrastruktur aufweisen. Zumindest der Strand ist so lang und prachtvoll wie erwartet, wenn auch menschenleer. Hier ist Peak Season, oder? Tatsächlich sind die Hotels auch gut gebucht, allerdings sind es nicht annähernd so viele, wie einem die Reiseprospekte zuhause glauben machen können. Verstreute Häuser, meist direkt am Strand mit gepflegten, dem Strand nachgelagerten Gärten, vereinzelt Gäste auf den Sonnenliegen, der Rest muß grad auf Schildkrötenzuchttour, Mondsteineinkaufstour oder mit dem Tuktuk unterwegs sein. Restaurants Fehlanzeige. Selbst die wenigen sind fast leer und das hauseigene Restaurant entpuppt sich als Geheimtipp. Der Leiter spricht fließend Deutsch, eigentlich spricht hier alles fließend Deutsch, Gäste eingeschlossen. Ogul vom Internetshop nebenan sogar mit Berliner Akzent. War da nicht was mit dem Erbe der britischen Kolonialzeit, die immerhin erst vor gut 60 Jahren geendet hat?

bentota-strand1   bentota-strand2

 

Natürlich sprechen sie auch Englisch. Alle. Auch die Straßenhändler und die Schlepper am Strand, so wie der alte Fischer heute vormittag, der mit Sicherheit nicht fischt und dank eines einzigen Zahnes im Mund ein wenig blutschelt beim Ti-Eitsch. Ich wandere die sieben Kilometer Strand als Morgenspaziergang ab und obwohl fast menschenleer, kommt doch alle paar hundert Meter einer, um "Hello" zu sagen. Und die unvermeidliche Whereyoufrom-Frage zu stellen, die ich zum gefühlten fünfhundertsten Male freundlich beantworte. Austria, mit einem Lächeln, einem Winken, ohne meinen Marsch zu unterbrechen. Der Fischer mit einem Zahn schreit mir in bestem bayrischen Dialekt nach: "Do legst di nieder!"

 

Der war gut! Ich dreh mich um und muß lachen: "Ja, da lege ich mich nieder." Wenn ich nicht grad unterwegs bin jedenfalls. Er grinst auch. Hat keine Ahnung, was er eigentlich gesagt hat und freut sich einfach, daß es funktioniert. Ich spare mir die Erklärung, daß Bayern eigentlich in Deutschland liegt und er schwärmt mir von seinem Fischrestaurant vor, keine 300 Meter von hier, zählt auf, was er heute angeblich gefangen hat, die Frau wirds kochen. Schließlich gereicht mir meine noch immer vornehme Blässe zum Heimvorteil – first day Sri Lanka, tomorrow maybe. Funktioniert bereits seit über einer Woche ganz ausgezeichnet.

 

Freundlich sind die Singalesen, und sehr stolz auf ihr Land. Sie lächeln viel und lachen gerne. Selbst die Straßenhändler, Tuktukfahrer und die wie Schmeißfliegen herumflirrenden Strandschlepper sind freundlich, auch wenn man sich nicht auf ein Geschäft einläßt. First day ist natürlich ein Trumpf, gell? Man will sich ja nicht die spärliche Kundschaft vergraulen.

 

Weiter südlich wird’s exklusiver, werden die Beach Boys schüchterner. Ich laufe direkt auf ein Hindernis in Form eines Felsens mit Hotel zu. Also rauf auf den Felsen, rein ins Hotel, quer durch den idyllischen Garten, eine Runde durch den Speisesaal an der Rezeption vorbei, Verfügbarkeit und Preisliste erfragen, noch einmal die Aussicht und den dicken englischen Rasen genießen, auf der anderen Seite wieder runter. Wer hier wohnt, der geht nicht an den Strand. Zu profan, buchstäblich zu tief. Bei dem Pool mit der Aussicht aber auch kein Wunder! Es ist das mit Abstand schönste Hotel der Gegend: www.samanvilla.com

www.samanvilla.com
www.samanvilla.com

 

Ausblick von oben

Ausblick von oben

Zurück mit dem Tuktuk, denn weitere sieben Kilometer Marsch in der nun drückenden Mittagssonne scheinen nicht opportun. Zwischenstopp bei der Shunyata Villa, einem kleinen feinen Ayurveda Resort. Fünf Zimmer, höchstens zehn Gäste, ausschließlich gschrappenfrei (dabei hätten die so einen Spaß hier: "Mama, warum hast Du lauter schwarzen Dreck auf der Haut?" – "Das ist gesund, Christoph-Gunter, jetzt geh wieder die Katzen ärgern."). Ayurvedavollprogramm samt abgestimmten Mahlzeiten. Ich weiß, daß sie voll belegt sind, schon vor drei Tagen per Internet angefragt. Aber Tagesgäste nehmen sie noch. Ich lasse mir das Resort ausgiebig erklären: alles bio hier, alles frisch, alles total gesund für Körper und Seele, sieben Angestellte auf zehn Gäste unter schweizer Führung. Die machen hier kein Wischiwaschi, hier werden sie geholfen, hier kommt mir keiner ungesund davon. Entspannte Gesichter von Damen über Fünfzig blinzeln mir entgegen. Eine davon muß Sabine sein, von der schon auf der Homepage die Rede war. Um 6:30 Uhr ist Sabine sanft aufgewacht und hat die kleine Morgentoilette hinter sich gebracht, bevor sie zur Wellenmeditation an den Strand ging. Dabei begleitet man Wellen vom Horizont bis ans Ufer. Dann bekommt Sabine den gesunden Holzapfeldrink zum Frühstück, bevor die eigentlichen Behandlungen beginnen. Zumindest hier trennt sich Fiktion von Realtität, denn die heutige Sabine hat den Holzapfel entweder ausgelassen, oder sie bekommt ihn erst abends, so entspannt wie sie aussieht.

 

Ich ringe mit mir und versuche rauszufinden, ob mir ein paar Ayurvedadings mehr nützen als mir ein Holzapfel schaden könnte. Oder ob ich doch die pragmatische Variante nehme und 1200 Dollar für zwei Tage aboluter Tranquility in den Saman Villas auf den Kopf haue? Es juckt mich in den Fingern, aber schlafen wir mal darüber.


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