Stürmischer Empfang
Gut, zugegeben, es wäre nicht unbedingt nötig gewesen, aber gefreut hat es uns doch. Bei unserer Ankunft in Hanoi erwartet uns ein Sturm des Jubels und der Begeisterung, mit dem wir gar nicht gerechnet hatten. Horden von Mopedfahrern ziehen zu unserer Ankunft hupend, jolend und die vietnamesische Fahne schwingend an unserem Altstadthotel vorbei, mit strahlenden Gesichtern aus denen aufrichtige Freude spricht. Wer keine Fahne schwingt, hüllt sich in ein rotes Tuch mit goldenem Stern. Die Vietnamesen sind ein freundliches und geduldiges Völkchen. Solche Emotionsausbrüche kommen hier eher selten vor und wenn dann nur mit gutem Grund. Ein Sich-Gehen-Lassen kommt einem Gesichtsverlust gleich. Umso bemerkenswerter die Begrüßung. Wirklich, noch nie wurde ich mit solcher Begeisterung irgendwo empfangen wie hier. Ein guter Auftakt!
Unser kleines "Legend Hotel " liegt mitten in Hanois Altstadt, zentraler kann man hier wirklich nicht mehr wohnen. Die Unterkunft ist sauber, die Leute wie fast überall freundlich und hilfsbereit. So tat es dem Portier auch leid, daß er uns mit unserem Geldwechselanliegen zur nächsten Wechselstube 50 m weiter schicken mußte. Aber auch dort winkte der Kassier ab, als er den 20 Dollar Schein sah und dirigiert uns zum nächsten. Langsam schwant uns etwas: die KÖNNEN keine $20 wechseln, weil sie nicht soviel VND haben. Tatsächlich, beim nächsten klappt’s mit einer $5-Note und können wir endlich unser zwei gemütliche Bier, ein paar Erdnüsse und zwei Flaschen Wasser kaufen. Bepackt mit Einkäufen rechnen wir nach: wir haben 1.50 USD oder gut einen Euro verbraten. Kein Wunder, daß die nicht wechseln konnten. Doch ganz so stimmt das freilich nicht, wir sind lediglich im falschen Viertel und kaufen die falschen Sachen. Auch in Hanoi ist es kein Problem, Geld loszuwerden, wie wir bald lernen.
Unser Stadtrundgang beginnt am Hoan Kiem See, gleich südlich der Altstadt. Besonders beliebt ist der Teich und die Promenade darumherum als Fotomotiv, vor allem für Hochzeitspaare. Geheiratet wird offenbar auch in Vietnam gerne und das auch am Dienstag. Dieses Paar ist nur eines von einem Dutzend, das wir auf der Promenade noch treffen werden.
Südöstlich des Teichs liegt Ville Francaise, jenes Viertel, das die Franzosen zwischen 1883 und 1945 gebaut haben, als sie die Kolonialherren hier waren. Viele der prächtigen Villen stehen noch und dienen heute als Botschaftsgebäude. Auch das Grand Hôtel Métropole Palace findet sich hier, in dem schon vor hundert Jahren die Granden des Showbiz abstiegen, wenn sie hier durchkamen.
Hier werden wir dann auch problemlos unsere Dollar los für einen Kaffee, ein Glas Wein und ein Wasser. Amerikanische natürlich, vietnamesische hätte uns niemand ausreichend gewechselt. Wir sind mitten im Botschaftsviertel, jene Gegend, wo die Cayenne-, Mercedes-, X5- und Bentley-Dichte in Hanoi trotz Kommunismus relativ hoch ist und die durchschnittliche Rechnung das Monatsgehalt der Bedienung vermutlich übersteigt. Doch das Vorurteil westlicher Bonzen greift nicht, denn es sind Vietnamesen in den Autos und sie sind beileibe nicht die Chauffeure.
Zwischen Luxus und Moped ist nicht viel Platz. Wortwörtlich. Die Verkehrsteilnehmer, soferne sie keinen Stern auf der Motorhaube besitzen, haben meistens mannshohe Lasten am Gepäckträger, denn neben Autos und Fahrrädern sind Mopeds das Hauptfortbewegungsmittel in Vietnam. Die vierköpfige Familie auf einem Mofa ist kein unüblicher Anblick und gefahren wird scheinbar ohne Regel. Gegen eine Hauptstraßenüberquerung in Hanoi ist Bangkok was für Kinder, denkt man angesichts der furchteinflößenden Dichte des niemals stoppenden Verkehrs. Tatsächlich gibt es auch nur eine Möglichkeit, Straßen zu überqueren: zielstrebig und ohne anzuhalten. Sie weichen eh aus, die Mopeds und Autos, wirklich! Meistens, jedenfalls.
Übrigens, Koinzidenz oder nicht, hat das vietnamesische Fußballteam am Montag gegen Thailand gewonnen und ist damit ins Semi der SEA Meisterschaften aufgestiegen. Das ist etwa so wie wenn die Österreicher im Viertelfinale der EM gegen die Deutschen gewonnen hätten. Vielleicht war das mit ein kleiner Anlaß für unseren begeisterten Empfang.
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