Wo man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht
Das gute Wetter hat es sich anders überlegt und flieht nach Norden. Da fahre ich aber nun gerade nicht hin, sondern ostwärts, am Südzipfel entlang. Walepole, Denmark, Albany heißen die Orte hier. Und wäre der Himmel nicht gar so wolkenverhangen, könnte man versucht sein, einen der Strände auszuprobieren. Selbst an warmen Tagen sollte man dazu allerdings abgehärtet sein, denn das Wasser ist kalt. Hier an der Südseite kommen die Meeresströmungen direkt aus der Antarktis. Nichts dazwischen.
Nach einer Kaffeepause in Pemberton, einer der Timbertowns weiter nördlich, lande ich in Denmark. Die Timbertowns heißen so wegen der Holzwirtschaft, mit der sie groß geworden sind. Aber was heißt groß… Pemberton hat 1600 Einwohner und zählt bereits zu den größeren Städtchen. Der Ort könnte eine Kullisse für einen Western abgeben mit der alten Eisenbahn, den hübsch renovierten Holzhäusern und der letzten noch in Betrieb befindlichen Sägemühle. Teilzeitmühle, aber immerhin, man hofft hier auf Tourismus. Danach kommt 50 Kilometer nichts, nur Wald. Bis Walepole, wieder 50 Kilometer hügelauf, hügelab, dann Denmark. Viele Orte hier liegen am Meer, aber nicht unmittelbar. Oft ist das Meer hier eine große, relativ ruhige Bucht, die wie ein See wirkt, weil sie fast geschlossen ist.
Denmark ist aber auch einen Abstecher in den Urwald wert, denn hier stehen die Giant Tingle Trees, die breitwurzelnden Riesenbäume, unter denen man durchlaufen kann. Den berühmtesten, unter dem sie immer mit dem Auto durchgefahren sind um fürs Foto zu posieren, gibt es nicht mehr. Der fiel vor über fünfzehn Jahren um. Einfach so, nachdem er an die tausend Jahre stand. Aber es sind noch genügend andere übrig und mit dem Auto darf man ohnehin nicht mehr durchfahren, um die empfindlichen Wurzeln nicht zu gefährden.
Dann Albany, letzter Außenposten des Südwestzipfels, bevor weitere 500 Kilometer östlich Esperance kommt und dann fast zweitausend Kilometer weit praktisch nichts außer dem Nullarbor – flaches Land.
Das YHA in Albany ist ein versifftes Loch, Einzelzimmer sind auch nicht mehr frei, hier bleib ich nicht. Und doch ist es ein Glücksfall, denn der Tip für Middelton Beach ist gut. Hätte ich nicht gefunden. Deshalb, lieber Leser, wenn du mal nach Albany kommst, bleib nicht auf der Hauptstraße. Fahr rüber nach Middelton Beach, allein die Fahrt ist es wert. Dann such nach dem Discovery Inn und laß dich nicht abschrecken. Familär geht es hier zu, sauber und ordentlich. Geh rein und frag ob was frei ist. Und wenn du die Pam triffst, die Seele von dem Laden, die dir hier alles ungefragt erklärt und noch viel mehr als du wissen willst, dann grüß sie mir schön.
Um elf Uhr abends marschiere ich an den Strand. Es ist kalt geworden, trotz des warmen Pullovers mit Kaputze ist es empfindlich frisch und ich werde halb erfroren sein, wenn ich zurückgehe. Vormittags hat es noch geregnet, der Nachmittag war bewölkt. Jetzt, nachts, hat es aufgeklart. Was sag ich aufgeklart, kein Hauch von Wolken mehr am Nachthimmel, wohin man auch blickt! Das Wetter ist hier so abwechslungsreich wie die Landschaft. Am Strand donnert einem die kommende Flut vom Südpol entgegen. Und über einem das Kreuz, strahlend hell. Das Kreuz des Südens und die ganze Milchstraße drumherum, so klar und tief, wie ich sie seit der Nacht im Outback nicht mehr gesehen habe. Ja. Das kann was.
One Response to “Wo man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht”
March 23rd, 2009 saat: 10:54 pm
Jetzt bin ich beruhigt. Hab schon gedacht, es gäbe keine Kängurus mehr.