Auftakt mit guten Winden

07 October 2012 | Buenos Aires

Zumindest die Hunde müssen sie haben, die buenos aires, und es muß reichlich davon geben. Denn wenn es eine Stadt gibt, die den Namen der Hochburg der Hundehäuferl verdient hat, dann diese. Auch wenn die Wiener jetzt aufschreien und diesen Kosenamen ihrer Lieblingsstadt zugeordnet wissen wollen: nein, ihr Lieben. Gegen Buenos Aires ist Wien ein Pekinesenfurz, aber ein windiger und kein gehaltvoller! Ist auch kein Wunder, denn das Verhältnis von Asphalt zu Grün ist relativ einseitig in dieser Stadt mit 13 Millionen Einwohnern, deren Bevölkerungsdichte größer als die von Tokio ist; und Plastiksackerl kennt man hier nur vom Einkaufen.

 
Merde!
 
Es wäre nicht weiter tragisch, wären es nicht die einzigen Schuhe. Und die einzige Hose. Und das einzige Hemd. Ganz recht, der Rest ist in Frankfurt verblieben. Hosen, Hemden, Tanzschuhe, kurz: alles außer den zum Überleben allernotwendigsten Dingen wie Zigaretten, Paß, Kreditkarten, Computer. Wir schreiben ins Stammbuch: in Zukunft Wäsche für zwei Tage und eine Zahnbürste ins Handgepäck. Den Argentiniern die Schuld in die Tanzschucherl zu schieben, wäre allerdings grundfalsch. Das hat Lufthansa ganz alleine verbockt. Vielleicht hatten sie auch Unterstützung vom Bodenpersonal. Bis zum Landeanflug jedenfalls hat der Pilot sich mit der Wahrheit zurückgehalten, daß "einige" Gepäckstücke aufgrund einer technischen Panne nicht dabei wären. Die Untertreibung des Jahres, denn sie haben es geschafft, fast ein Viertel des Gepäcks einer ganzen Boeing zu verschlampen. Das dreht sich noch auf der Verkehrsdrehscheibe Frankfurt. Kleine technische Panne halt.
 
Also auf zum Shoppen. Die wichtigen Dinge gibt es hier auch am Sonntag – ein paar frische T-Shirts, Zahnpasta, die schwindenden Suchtmittel sind sogar ausgesprochen billig. Zumindest das wäre gerettet – es hätte meinen Humor auf eine ernsthafte Probe gestellt. Ja, und bei dieser kleinen Shoppingtour ist es dann auch passiert. Die Hundehäuflgeschichte, trotz Waltenlassen größtmöglicher Vorsicht. Was so ein bißchen Regen, dem man ohne Schirm entsprechend davoneilt, manchmal ausmachen kann.
 
Buenos Aires ist fast menschenleer um 8 Uhr früh bei 15° mit Regen. Freie Fahrt selbst auf der breitesten Straße der Welt, der Avenida 9 de Julio, diesem 20-spurigen Prachtboulevard, der Buenos Aires durchschneidet. Und viel mehr sind es auch am späten Nachmittag nicht, die sich auf den Straßen tummeln. Die Portenos bleiben zuhause, sie wissen um die Häuferl und warten darauf, daß der Regen sie wegspült.
 
Die edleren Tücher und die Schuhe, die es in der Via Suipacha zuhauf gibt, müssen bis Montag warten. Oder Dienstag, denn Montag ist Feiertag. Ich wäre ja mitgekommen auf die Open-Air-Milonga, trotz sehr touristischer Adjustierung, doch die fällt dem Regen zum Opfer und die Alternative, wo zumindest die Locals im Anzug antanzen, die gebe ich mir heute nicht in Jeans, Turnschuhen und T-Shirt unterm Kaputzensweater und verräterisch duftenden braunen Streifen am Hosenaufschlag. Man muß sich die Prügel ja nicht am ersten Abend abholen. Da laß ich die Mädels alleine hinturnen, bemühe meine rudimentären Handwaschkenntnisse, um mich fürs Abendessen wieder schick zu kriegen und habe das Hotel solange für mich allein.
 
Das Apassionata Tango Hotel liegt mitten im Zentrum, Pasco 272. Gleich um die Ecke vom Plaza de Mayo. Nicht dem berühmten Plaza de Mayo, sondern dem Plaza Primero de Mayo, der eigentlich eine Baugrube mit Kinderspielplatz ist und den eigentlich kein Schwein kennt. Doch, immerhin, ein bißchen Grün ums Eck, da gibt es nichts zu meckern. Marion und Fabian führen das Hotel mit Familienanschluß. Auch der Senior begrüßt jeden Einzelnen und ist rührend um die Gäste bemüht. Die 7 oder 8 Zimmer sind tatsächlich hübsch und mit sehr viel Liebe zum Detail jedes einzelne als Themenzimmer renoviert worden. Wenn meins auch noch ein Fenster hätte, statt lediglich einer Tür zum Laubengang in den Patio, wäre ich vollends entzückt. Dafür ist es ruhig. Lassen wir die Türen etwas offenstehen, solange ich das Hotel für mich habe, um die sanfte Orangennote der Duftstäbchen mittels Klimaanlage rauszublasen und die abgestandene Luft umzuwälzen. Vielleicht trocknet ja sogar das klamme Bett noch bis zum Abend, wer weiß?
 
Kurzinventur der Tangotruppe: fünf Damen aus Dänemark, Schweiz, Deutschland und Bayern, ein paar fehlen noch, die kommen morgen an. Angeblich sind sogar Männer dabei, doch das Verhältnis der Geschlechter wird sich nicht mehr ganz ausgleichen lassen. Und bevor hier jemand unkt: sie sind alle sehr nett. Dänemark hat schon beim gemeinsamen Frühstück viel erzählt – wir teilen uns allerdings auch ein Bad, sodaß wir uns unbekannterweise bereits näher kamen, als geplant war – die Schweizerinnen sind alleine für den Basler Dialekt liebenswert und auch Deutschland ist schwer in Ordnung.
 
Dann also auf ins Abenteuer Buenos Aires… sollte das Gepäck noch ankommen in den nächsten Tagen, wird es sogar Fotos des Abenteuers geben.

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