Urban Legends

10 March 2009 | Australien

Ohne eine Frage, ohne ein Wort zu sagen und mit unnachahmlichem Stolz, setzt Hannah sich neben mich. Nicht in die Nähe, direkt daneben. Ihr Schlafzimmerblick lächelt mich mich von der Seite an. Hannah ist Mitte Zwanzig, schwarz und ziemlich schön. Ein angedeutetes Lächeln von ihr ist vermutlich in der Lage, Männer zu unüberlegten Taten zu verleiten.

 

So kommen wir ins Gespräch. Cool findet sie es, daß ich hier mutterseelenallein bei einem Glas Wein sitze und ganz offenbar very comfortable with my own company bin. Ich muß mir das merken. Frauen finden es cool, wenn man(n) auf einsamer Wolf macht. Hebt den Marktwert. Hannah ist aus Simbabwe und studiert hier International Relations. Wenn alles glatt geht, dann hat sie demnächst ihren Master. Heute hat sie alle Prüfungsunterlagen abgegeben, deshalb hängt sie an eimem Dienstag Abend in dieser Bar im Westend von Brisbane rum. Nun gut, es ist erst Zehn. Ich glaube ihr diesen Teil, denn sie wiederholt ihn einwandfrei zwanzig Minuten später. Hannah ist nicht nur schön, sie ist auch intelligent. Wir reden über Politik und über das Leben in Brisbane. Origkeitshörig sind die Leute hier, nicht so relaxed und rebellisch wie in Melbourne. Dort hat sie auch mal gewohnt. Was immer sie hierher verschlagen hat, bleibt im Dunkeln. Ich bin schon entzückt darüber, daß sie trotz der zahlreichen Whiskeys die sie intus hat, ein intelligentes Gespräch führen kann. Den Whiskey hat sie mitgebracht, damit verdünnt sie das hier gekaufte Cola. Ist billiger so.

 

Brisbane ist voll. Kein Bett mehr frei. Sind alle vor Hamish geflüchtet, dabei schifft es auch in Brisbane, zwischendurch zumindest. No worries, mate. Ich kann jederzeit eine Nacht bei ihr pennen. Sie wohnt gleich gegenüber. So einfach kriegt man ein freies Bett in Brisbane! Aber mein Flug geht morgen früh um Sieben Richtung Perth, ich muß also früh raus. Zu blöd aber auch, schon gebucht.

 

Zum Rauchen hält sie die Hand einen Meter weit raus, über die Sperrlinie am Pflaster, das die Grenze der Bar markiert. It’s the law, ridiculous, but it’s the law, erklärt sie mir. Hannah ist open minded und kann die Spinner nicht ausstehen, die sich an ein solch dämliches Gesetz halten. Offenbar mag sie mich tatsächlich, denn es dauert dreißig Minuten, bis sie darauf kommt, was sie wirklich will. Der Typ am Nebentisch, Tim heißt er angeblich, kann Pot besorgen. Aber das kostet Geld und Geld hat Hannah nicht. Das erwähnt sie mit keinem Wort, sie wäre viel zu stolz dazu. Nicht wie die beiden Sad Puppies am Nebentisch, die sich ungeniert Tim an den Hals werfen. Leider ist mir grad nicht nach Pot. Gras auch nicht, sorry. Mach ich doch nie.

 

Muß die falsche Antwort gewesen sein. Hannah, oder wie immer sie heißt, leert ihren Drink und und ohne ein Wort zu sagen, mit dem gleichen unnachahmlichen Stolz, mit dem sie kam, schwebt sie von dannen.


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